Band 61

 

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Band 61 - Band 61

Band 61 in der maritimen gelben Buchreihe. .

Zeitzeugen des Alltags

Franz Döblitz und Ernst Richter:

 Service an Bord

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Leseprobe Franz Döblitz:

Nach Ladungsaufnahme in Hamburg ging die Reise nach Bremen und Antwerpen, wo weitere Ladung, hauptsächlich Stückgut und Chemikalien in Fässern (Decksladung) aufgenommen wurden.  Ich war nun Messejunge (Moses) für das Maschinenpersonal.  Meine Kammer befand sich in den Achteraufbauten über der Rudermaschine.  Ich teilte sie mit dem Decksjungen (auch Moses), dem ich später noch einmal begegnete.

Mein direkter Vorgesetzter war ein schon ergrauter Storekeeper, der viel Alkohol genoss, ansonsten aber umgänglich war.  Der zweite Ingenieur, Herr Grosser, war dessen und mein Vorgesetzter und schrieb mir bei der Abmusterung ein Zeugnis, mit dem ich mich sehen lassen konnte.

Der Storekeeper hat über so manchen meiner Anfängerfehler hinweggesehen.  Eine Pantry mit Proviantkühlschrank und eine Seite der Mannschaftsmesse (rechts) waren mein Arbeitsplatz.  Meine Hauptaufgaben waren das Auf- und Abbacken, Proviant und das tägliche Essen für die Reiniger von mittschiffs aus der Kombüse holen, die Sanitärräume und Kammern reinigen und noch einiges mehr.  Nach anfänglichen Stolpereien bekam ich das alles aber unter einen Hut.  Der Erfolg war dann ein routiniertes Arbeiten, wenn auch anfangs noch die Mittagspause von 13 bis 15 Uhr dran glauben musste.  Der Tag war unterteilt in 7 Uhr Frühstück – 12 Uhr Mittagessen – 15 Uhr Kaffee trinken und 18 Uhr Abendessen.

Die andere Hälfte der Messe war für den Bootsmann und das Deckspersonal vorgesehen, dafür war ein weiterer Moses zuständig.  Obwohl der Bootsmann nicht mein Vorgesetzter war, er war ja auch, wie der Storekeeper, Unteroffizier, bekam ich doch mit ihm zu tun, aber davon später.

Ab Antwerpen ging die Reise bei gutem Wetter durch den Englischen Kanal über den Atlantik, vorbei an den Azoren zum ersten Hafen Port au Prince auf Haiti.  .Als das Schiff vor Port au Prince vor Anker ging, kam eine große Anzahl Boote angerudert, in denen je eine oder zwei Gestalten saßen und geschnitzte Figuren, Masken, ausgestopfte Kaimane, Bananen, Melonen und Orangen zum Kauf gegen US-Dollar oder im Tausch gegen Zigaretten anboten.

In der Heimat gab es ja wirklich keinen Wohlstand, aber was ich hier beim Landgang zu Gesicht bekam, war erschreckend, eine bittere Armut, Wohnen in Holz- oder Blechhütten ohne Strom und Wasser, Betteln war an der Tagesordnung.  Natürlich gab es auch die andere Seite der Medaille, doch der größte Teil der Bevölkerung war sehr arm.

Ein kleiner Teil der Ladung wurde hier gelöscht, und die Reise ging weiter in die nächsten Häfen zum Löschen und Laden für Europa.  Die genaue Reihenfolge der angelaufenen Häfen kann ich nicht mehr präzise nachvollziehen, will sie aber einmal nennen: Ciudad Trujillo (heute Santo Domingo) in der Dominikanischen Republik, Puerto Cabezas in Nicaragua, Port of Spain / Trinidad, Matanzas und Havanna auf Kuba, La Guaira und Maracaibo in Venezuela, Managua / Honduras, Puerto Barrios in Guatemala, Port Limon auf Costa Rica, Oranjestad auf Aruba und einige in Vergessenheit geratene.

Von einigen dieser Häfen will ich meine im Gedächtnis behaltenen Gedanken zu Papier bringen.

La Guaira (die Hölle) ein von einem Bergmassiv eingerahmter Hafen.  Von hier aus konnte man mit einem Sammeltaxi oder per Seilbahn in die Hauptstadt Venezuelas – Caracas gelangen.  Caracas, eine Großstadt wie so viele.

Aufregendes habe ich nicht so recht wahrgenommen.  Ich war mit einem Bordkollegen unterwegs.  Irgendwann bekamen wir Hunger.  Die Venezolanische Küche war uns noch unbekannt.  Wir entdeckten ein Bayrisches Restaurant (in Venezuela), das war schon eigenartig.  Keiner von uns wusste so recht, was wir machen sollten.  Wir traten ein und wurden auf Deutsch angesprochen, bestellten etwas Bekanntes.  Gut satt gegessen fuhren wir darauf wieder zu unserem Schiff.

Hier in La Guaira ist mir das erste Mal deutlich geworden, was die Begriffe Bestechlichkeit / Korruption bedeuten.  Die Abfertigungsbeörden, Hafenpolizei, Zoll etc. nahmen nicht nur bei Ankunft oder der Abfahrt reichlich Zigaretten und Schnaps mit, sondern kamen auch während der Liegezeit öfter noch einmal, um Nachschub zu holen.  Diese Art des „Einkaufens“ passierte in den Häfen Westindiens fast überall, aber so krass wie hier, ist es mir nicht wieder untergekommen.

Bestechlichkeit / Korruption.  Meine damalige Überzeugung, dass es derartiges in Deutschland niemals geben werde, muss ich heute wohl deutlich revidieren.  Denn, was heutzutage geschieht – Taschen vollstopfen – Abzocken – Lügen und Betrügen usw. durch Banker – Politiker und Wirtschaftsbosse, das funktioniert viel ausgefeilter, als in den sogenannten „Bananenrepubliken“.

Maracaibo (deutsch: Neu Nürnberg) – um in den Hafen zu kommen fuhr das MS NAUMBURG durch eine nicht geringe Anzahl von Bohrtürmen.  Von Maracaibo wird das meiste in Venezuela geförderte Erdöl in alle Welt verschifft.  In diesem Hafen verlebte ich das erste Weihnachtsfest weitab von zu Haus.  Weihnachten bei 30° Celsius, aber mit Tannenbaum, den wir schon in Hamburg an Bord bekommen hatten.  Pro Mann gab es von der Reederei zwei Flaschen Bier oder für zwei Mann eine Flasche Wein.  Aus der Kombüse gab es ein besonderes Essen, alles perfekt – eben HAPAG.  Es war wirklich ein schönes Fest.  Ich weiß noch, was ich meiner Mutter schrieb: „Ihr sitzt jetzt sicher hinter dem warmen Ofen, und ich bade in der Maracaibo-See!“

Havanna – wohl eine der schönsten Städte in der Karibik.  Das Fort an der Hafeneinfahrt ‚El Morro’ und dann die Innenstadt, diese ansprechenden alten Gebäude im spanischen Stil, die riesige Plaza, Denkmäler, Statuen und die vielen amerikanischen Straßenkreuzer.  Das war schon beeindruckend!

Es gab viele fahrbare Imbisse, an denen man sich frische Sandwiches machen lassen konnte.  Das waren mehrstöckige  ‚American Toast’ – Scheiben mit Käse, gekochtem Schinken (ähnlich) Salatblättern, Gurkenscheiben und einer leckeren Würzsoße.  So ein Ding hatte eine Höhe, dass man beim Hineinbeißen die Maulsperre bekommen konnte.  Die Riesendinger kosteten 50 US-Cent, das waren 1956 zwei DM und 10 Pfennige.  Ältere Besatzungsmitglieder waren mehr der holden Weiblichkeit zugetan.  Mit meinen 15 Jahren durfte ich nur in Begleitung eines Erwachsenen und nur bis höchstens 22 Uhr an Land gehen.  Alkohol und leichte Mädchen waren tabu.  Bei der HAPAG herrschte eben „Zucht und Ordnung!“  Volljährig wurde man damals ja erst mit 21 Jahren.  Bei späteren Reisen hatte man den Bogen heraus, wie man solche Vorschriften umgehen konnte, nicht immer gelang es wie sich auf einem anderen Schiff herausstellen sollte.  Die erste Reise auf dem MS NAUMBURG war zu Ende.  Wir fuhren von der Karibik via Antwerpen und Bremen nach Hamburg.

Von der Reederei kamen zwei Leute und brachten die Heuerabrechnung, meine Heuer war 50 DM im Monat, und da ich nicht viel ausgegeben hatte, war noch ein schönes Sümmchen in meiner „Tüte“, ich war happy.  Schnell einen freien Tag beantragt und genehmigt bekommen, für Mutter einen Blumenstrauß gekauft, Kurzbesuch zu Hause, bei Opa und Oma, Onkel und Tanten, dann wieder an Bord.

Die Ladung wurde gelöscht, und es wurde auch schon neue Ladung aufgenommen, Proviant für Deck und Maschine, Küche und Service wurde angeliefert und musste verstaut werden, es gab also auch während der Hafenliegezeit gut zu tun.

Als es nach ungefähr fünf bis sechs Tagen hieß „Klar vorn und achtern“ fing die zweite Reise für mich an.  Wieder ging es zum Laden nach Bremen und Antwerpen, dann über den Atlantik in Richtung Westindien.  In Antwerpen bekamen wir Chemiefässer als Decksladung Achterkante Brücke Steuerbord und Backbordseite.  Diese Fässer wurden auf Steuerbordseite gelascht und mit einem Laufsteg versehen.  Manntaue wurden gezogen, damit man sich bei Schlechtwetter festhalten konnte, um nach mittschiffs zu kommen.

So weit, so gut, zunächst tauchten keine Schwierigkeiten auf.  Es zogen aber bald dunkle Wolken für mich auf, denn ich hatte mich von einigen Leuten aufmotzen lassen und habe es in meiner Wut gewagt, mich mit dem Bootsmann, er hatte die Angewohnheit, mich zu schikanieren, anzulegen.  Ich wagte, ihn zu fragen: „Was muss ein Bootsmann denn können?“  Das löste Neugier bei ihm aus.  Er fragte nur: „Na, was denn?“  Und darauf erwiderte ich: „Er braucht nicht lesen und schreiben können, die Hauptsache ist, er hat Haare auf der Brust und ein großes Maul.“  Dass er das so einfach hinnahm, sich umdrehte und ging, hat mich noch nicht einmal gewundert.  Ich war mir sicher, dass er mich von nun an in Ruhe lassen würde.  Doch weit gefehlt.  Die dunklen Wolken öffneten sich, indem er mich zum Farbe holen mit aufs Vorschiff nahm, wo unter der Back in einem Kabelgatt außer Tauwerk auch die Schiffsfarben lagerten.  Als er hinter uns die Tür verriegelte, ging mir ein ganzer Kronleuchter auf.  Ich bekam eine Tracht Prügel, die nicht von schlechten Eltern war.  Ich konnte danach mehrere Tage weder sitzen noch richtig liegen.  Dann durfte ich bei heftigem Seegang mit schwarzer Farbe die Umrandung der Toilettenbecken in den Mannschaftstoiletten malen, und wehe es wurde Farbe verschüttet. – Wieder hatte sich mein Leben um eine (bittere) Erfahrung bereichern können.

Auf der Ausreise bekamen wir eins auf die Mütze, hinter den Azoren zog ein Sturm besonderer Güte auf, und der machte es dem Schiff ziemlich schwer.

Die NAUMBURG wurde gefordert, sie tanzte auf den Wellen wie verrückt.  Das war nicht weiter schlimm, nur sollte ja der Moses (ich) das Essen von der Kombüse, von mittschiffs nach achtern in die Messe holen.  Normal wurde das Essen in Schüsseln und auf Tellern transportiert.  Bei Schlechtwetter gab es dafür Essenträger, drei topfähnliche Gefäße übereinander, in einem Tragebügel gehalten.  Also los und Essen holen!  In der Kombüse angekommen, füllte der Smutje die Behälter des Essenträgers, und ich konnte damit nach achtern in die Messe gehen.  Als ich auf dem Laufsteg war, holte das Schiff über, ich rutschte aus, hielt mich am Manntau fest und hing plötzlich außenbords.  Ich verspürte eine Angst, wie ich sie bis dahin nicht kannte.  Anscheinend hatte von achtern jemand gesehen, was passiert war, und ich wurde wieder an Bord gezogen.  Den Essenträger habe ich nicht los gelassen, aber der Inhalt war durch das Seewasser „versalzen“.  Mir schlotterten die Knie, es war nichts mehr mit mir anzufangen, und so durfte ich zur Koje gehen.  Es verging geraume Zeit bis ich diesen Vorfall und die Erfahrung mit dem Bootsmann verkraftet habe.  Als diese Reise dem Ende entgegen ging, wollte ich eigentlich abmustern, aber eine Alternative zur Seefahrt gab es für mich seinerzeit kaum.

Es gab aber, wenn man so will, unter den Kollegen auch schon ‚Psychologen für geschundene Seelen’ denn einige Ältere erklärten mir recht überzeugend den Sinn des Lebens bei der Christlichen Seefahrt.  Einmal kommt für jeden eine Prüfung, dachte ich danach und fuhr trotz allem noch eine dritte Reise mit.  Zu Hause habe ich von diesen Dingen nie erzählt.  Es wäre ohnehin nichts Nennenswertes dabei herausgekommen.

Puerto Barrios –  Ein sogenannter Bananenhafen.  Warum?  Hier trafen sich wohl alle Bananenjäger der Erde.  Es lagen Schiffe der Reederei Willi Bruns aus Hamburg, Schiffe der Amerikanischen Reederei United Fruit usw., usw. hier und nahmen als einzige Ladung Bananen auf.

Ebenfalls von dieser Reise habe ich Puerto Barrios bis heute nicht vergessen, denn etwas bis dahin nicht Gekanntes passierte.  Unser Schiff lag auf Reede und hatte die üblicherweise in jedem Hafen gehisste Quarantäneflagge gesetzt.  Die Einklarierungsbehörden, wie Emigration, Zoll und der Hafenarzt kamen an Bord.  Hinreichend bekannt war, dass in diesem Hafen Geschlechtskrankheiten weit verbreitet waren und Vorsicht geboten war.  Und dann kam das, womit anscheinend niemand gerechnet hatte.  Der Hafenarzt thronte mit einem Assistenten in Brückenmitte, der Assistent hatte alle Seefahrtsbücher der Besatzung vor sich liegen und rief einen nach dem anderen auf, an Backbordseite einzutreten und die Hose herunter zu lassen, des Mannes Fortpflanzungsorgan freizulegen und zwecks Überprüfung, ob gesund oder krank dem Arzt vorzuzeigen.  Nach dieser Prüfung durfte man die Brücke auf Steuerbordseite verlassen.  Eine nicht angenehme Angelegenheit, diese Sache, die von den Seeleuten so genannte ‚Schwanzparade’.  Besatzungsmitglieder, die abends an Land gehen wollten, bekamen vom zweiten Offizier (auch Sanitätsoffizier) je zwei Kondome und eine eindeutige Warnung, ja nicht mit irgendeiner Geschlechtskrankheit zu ihm zwecks Penicillinspritze zu kommen, mit auf den Weg.  Er würde jedem zeigen, was es für solche Dinge an Heilungsmethoden gibt.

Mein Vorgesetzter, der Storekeeper, einige Reiniger und Matrosen redeten auf mich ein, und es war auch noch Zeit zum Überlegen.  Letztendlich blieb ich dann noch einmal zweieinhalb Monate an Bord und musterte danach in Hamburg ab, um Urlaub zu machen.  Mein erster Urlaub bestand aus Besuchen bei der Verwandtschaft und bei Schulfreunden, alle wollten etwas über die Seefahrt und wie es mir denn so ergangen sei, wissen.  Ich hatte ordentlich zu erzählen.  Alles wird man mir nicht geglaubt haben, es wurde dann unter der Rubrik ‚Seemannsgarn’ abgelegt.  Manches Erlebte war ja selbst für mich äußerst neu.  Wie groß war denn der Horizont, den ich damals hatte?  Von der Welt außerhalb der Heimat habe ich nur ein wenig in der Schule im Erdkundeunterricht gelernt.  Speziell über die Seefahrt hatten auch die Lehrer nichts zu bieten.

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Leseprobe Ernst Richter:

Neubau Autofähre EMSLAND

Überführung von Japan nach Deutschland 1977

 Nach einigen Tagen Urlaub in Emden wurde mir von der Reederei A.G. Ems von Herrn Jörg Alberts der Neubau A/F EMSLAND als Koch angeboten.  Die Autofähre wurde damals im japanischen Hafen Usuki bestellt und auf der Werft Usuki Shipyard of Usuki Iron Works Itd. in Japan gebaut und abgeliefert.

Zu damaliger Zeit im Juli 1977 war es für mich eine große Freude, mit zur Besatzung zu gehören, die das neue Schiff A/F EMSLAND von Japan nach Emden überführen sollte. 

Nach Besprechungen mit der Reederei konnte ich eine totale Proviantbestellung für ca. drei Monate für eine Besatzung von 16 Personen in Auftrag geben, alle Ausrüstungsdinge, die für meinen Bereich Küche und Bedienung gehörten, wie Messer, Gabeln, Löffel, Teller, Tassen etc.

Nachdem der genaue Zeitpunkt feststand und von der Reederei unser Visum sowie Flugtickets bestellt waren, konnten wir am 28 Juli 1977 vom Emder Außenhafen aus zunächst mit 14 Personen der Besatzung zusammen in einem großen Reisebus zum Hamburger Flughafen fahren.

Nach kürzerem Aufenthalt stiegen wir in einen von Hamburg über Kopenhagen per Nordpassage fliegenden Jet. 

Es gab einen Zwischenaufenthalt in Anchorage/Alaska, wo die Bordbesatzung gewechselt und die Uhren auf Landeszeit umgestellt wurden.

Dann ging es nach zwei Stunden Aufenthalt weiter nach Tokio, wo wir am folgenden Tag um 20:00 Uhr landeten.  Nie werde ich diese wundervollen Eindrücke vergessen, als während des Fluges die Sonne über den Wolken aufging.

Nach der Landung in Tokio und einem mehrstündigen Aufenthalt ging es mit einer japanischen Maschine weiter nach Fokouka, wo wir nach Ankunft im Asaki-Hotel bis zum nächsten Morgen übernachteten.

Nach einem kräftigen japanischen Frühstück mit rohem Fisch in Sojasoße und viel Reis fuhren wir dann per Zug etwa sechs Stunden in die südlich gelegene Hafenstadt Usuki, wo wir uns im Gästehaus der Werft einquartierten.

Da an der neuen EMSLAND noch kleinere Schönheitsreparaturen zu erledigen waren und auch die Schiffstaufe sowie die Übergabe an die Emder Reederei A.G. Ems bevorstanden, konnte der größte Teil der Besatzung noch diese japanische Stadt und Land und Leute kennen lernen.

  Nach einigen Tagen wurde die neue Autofähre EMSLAND in feierlicher Stunde mit Musik in festlicher Stimmung an den Vorstand der Reederei A.G. Ems übergeben, und die Besatzung übernahm das Schiff.

Wir konnten an Deck bzw. in die Maschine, und auch für mich stand die Küche nun bereit.  Für meine Proviantbestellung hatte ich ja bereits von der Reederei grünes Licht erhalten, um vor Auslaufen in Japan die gesamten erforderlichen Waren an Bord übernehmen zu können.  Alles klappte wie immer hervorragend nach Plan.  Ich übernahm für die lange Heimreise nach Emden ausreichend Schiffsproviant von einem Schiffsausrüster.

Jetzt war auch für mich als Koch die Freizeit vorbei.  Nun musste ich für die die Verpflegung sorgen, denn deutsches Essen war nun für die ganze Besatzung sehr wichtig, damit wir uns nach dem langzeitigen Genuss von japanischem Essen mit viel Reis und rohem Fisch als Hauptmahlzeit wieder auf unsere gewohnte deutsche Kost an Bord umzustellen konnten. 

Kapitän Hausschild, der 1. Ingenieur Heino Tammen, 1. Offizier Albertus Looden, 2. Offizier Hinni de Wall, 2. Ingenieure Hermann Eiters sowie Gerold Düsberg, die schon einige Monate zwecks Bauaufsicht in Usuki ihren Dienst für das neue Schiff der Reederei getan hatten, waren froh, dass es nun endlich auf Heimreise gehen konnte.

Nach der endgültigen Unterschrift durch Herrn Graf von Spee, unserem Reedereidirektor der A.G. Ems und Abfertigung durch die Behörden, konnten wir nun nach großer Verabschiedung durch die gesamte Werftbelegschaft mit viel Applaus und Musik sowie geschmücktem Schiff und Werftgelände mit unserer EMSLAND unter Kapitän Bernhard Hausschild zur Heimreise nach Emden auslaufen.

Zur Stammbesatzung auf der EMSLAND gehören folgende Männer:

Kapitän Bernhard Hausschild, 1. Offizier Albertus Looden, 2. Offizier Hinni de Wall, 1. Ingenieur Heino Tammen, 2. Ingenieure Hermann Eiters und Gerold Düsberg, Offizieranwärter Jan von Spee, Funker Hans Georg Post, Bootsmann Jerry Schmidt, Matrosen Peter Nietsche, Eilly Uffken, Bernhard Jütting und Achim Schmidtz sowie Koch Ernst Richter.  Und zwei japanische Garantie-Ingenieure fuhren auch mit.

  Nach dem Auslauf-Abschied vom Hafen Usuki und Japan ging unsere Reise durch den Pazifischen Ozean an der Insel Taiwan vorbei nach Hongkong, wo wir bei herrlichem Sonnenschein für mehrere Stunden im Hafen zum Bunkern von Frischwasser einen Zwischenstopp einlegten, was für uns alle ein schönes Erlebnis war.

Nach der Abfertigung in Hongkong ging es mit unserem schönen weißen Schiff durch das Südchinesische Meer bis Singapur.

Die schöne Stadt Singapur, die wir wegen Bunkern von Dieselöl und Übernahme kleiner Fracht anlaufen mussten, war auch wieder ein etwas ganz Besonderes.  Nach dem Auslaufen ging es zwischen Sumatra und Malaysia zum Golf von Bengalen, vorbei an paradiesischen Inseln, und bald hatten wir den Indischen Ozean erreicht, wo unser Kapitän Bernhard Hauschild mit Kurs auf Sri Lanka, dem ehemaligen Ceylon, zum Hafen von Colombo fuhr.  Auch dort erfolgte ein Stopp zwecks Bunkern und Frachtübernahme.  Auch bekamen wir die Gelegenheit zu einem kleinen Landgang, um Souvenirs zu kaufen.

Nach einem schönen Landgang und Beendigung sämtlicher Lade- und Löscharbeiten konnten wir den Hafen Colombo wieder verlassen und die Reise durch den Indischen Ozean, vorbei an den Malediven, antreten.  Während dieser Reiseetappe herrschte sehr schlechtes Wetter, so dass das neue Schiff EMSLAND zum ersten Mal richtig von riesigen Wellenbergen durchgeschüttelt wurde.

Über mehrere Tage musste die EMSLAND im Ballast, also als leeres Schiff, ihre Bewährungsprobe bestehen, bis wir im Arabischen Meer den Golf von Aden erreichten und das Schiff wieder eine ganz normale Fahrt aufnehmen konnte.

Schließlich machten wir am 24. August 1977 im Hafen von Aden im Südjemen zwecks erneuten Bunkerns fest.  Nach einigen höllischen Stunden bei 40 Grad hieß es wieder „Leinen los!“ und weiter auf See, und wir steuerten durch das Rote Meer in Richtung Suez-Kanal, den wir nach vier Tagen erreichten und nach Anweisung der Kanal-Behörde und unter Lotsenberatung bis Port Said durchfuhren.  Auch diesmal ging alles in gewünschten Bahnen, der Suez-Kanal wurde nach mehreren Stunden mit Ausweiche im Bittersee zügig passiert.

Nach Lotsenübergabe in Port Said lag nun die Heimat zum Greifen nahe.

Das Mittelmeer war zu dieser Jahreszeit sehr, sehr ruhig, und ich hatte als Koch die Besatzung mit guter deutscher Seemannskost wieder um etliche Kilo an Gewicht aufgepäppelt, denn einige waren durch die lange Zeit in Japan recht mager geworden.

Auf unserer Heimreise ab Port Said sollte noch einmal der Hafen Augusta auf Sizilien angelaufen werden.  Dieser Hafen wurde von unserer Emder Reederei A.G. Ems fürs Bunker- und Wasserübernahme sowie zum Laden von frischem Obst und Gemüse genützt, um die letzten Seemeilen bis Emden zu gewährleisten.  Nach Ankunft im Hafen von Augusta wurde auch einer unserer japanischen Garantie-Ingenieure in sein Heimatland zurück geflogen, ihm war damals die Reise nicht besonders gut bekommen, denn die vielen Tage auf See hatten seine Gesundheit schwer mitgenommen, er wurde mit 38 kg Lebendgewicht an Land gebracht.  Die deutsche Seemannskost ist für japanische Menschen kein gutes Essen.  Die beiden wollten sich wegen ihrer häufigen Seekrankheit nur mit Tee und Reis über die Zeit bringen, was natürlich nicht ging.

Die ganze Besatzung und nur noch einer der kleinen Japaner, alle waren jetzt froh, dass es zum Endspurt ging: die letzten Tage durchs Mittelmeer, an Gibraltar und Marokko vorbei zum Atlantik, dann immer in Sichtweite des Landes von Portugal, Spanien, Frankreich zum Englischen Kanal.  Endlich kam Dover in Sicht.  Nun waren es nur noch Stunden bis an die Emsmündung.  Am 8. September 1977 konnten wir dann in der Emder Seeschleuse festmachen.  Vor dem Einlaufen in Emden hatte ich noch einmal ein zünftiges Curry-Essen für meine Besatzung zubereitet.

Bei der Ankunft in Emden wurden wir damals von unseren Angehörigen herzlich begrüßt.  Es herrschte große Freude, denn einige Männer der Schiffsleitung waren schon seit Monaten mit dem Neubau der EMSLAND in Japan beschäftigt gewesen.

Sie alle freuten sich sehr, ihre Familien wieder in die Arme schließen zu können.  Auch die Geschäftsführung der A.G. Ems unter der Leitung von Herrn Graf von Spee, der zwischenzeitlich zurückgeflogen war, hieß uns herzlich willkommen.  Das schöne weiße Schiff EMSLAND hatte nun eine längere Werftliegezeit bei den Thyssen Nordseewerken, um einige Garantiearbeiten erledigen zu lassen.

Die EMSLAND mit 78,5 m Länge wurde speziell für den Liniendienst zwischen Emshaven und Esbjerg in Dänemark für LKW, Fracht und Passagierdienst eingesetzt.  Nach einigen Monaten wurde allerdings die neue Linie wegen Unwirtschaftlichkeit und politischen Veränderungen in der europäischen Gemeinschaft eingestellt.

Aber dieses schöne neue Schiff machte noch viele Jahre Dienst in verschiedenen europäischen Gebieten sowie im Liniendienst zwischen den Kanalinseln St. Malo und Guernsey oder zwischen Neustadt und Bornholm, Öland und Gotland, Algeciras und Ceuta, auch im Insel-Verkehr Emden - Borkum – Emden, und auch bei den immer noch beliebten Butterfahrten war die EMSLAND tätig, also es war ein Schiff für viele Möglichkeiten.

Viele von unserer damaligen Besatzung denken noch oft an die Zeit auf der EMSLAND zurück.  Doch im Jahr 1986 wurde das Schiff nach Norwegen verkauft.  Zur allerletzten Reise von Emden nach Sandefjord konnte ich damals auch noch anmustern.  Auf dieser Reise nach Norwegen, auch wieder unter Bernhard Hauschild, hatten wir noch einmal sehr schlechtes Wetter bei Ballastfahrt!  Die EMSLAND war wohl mit dem Verkauf nicht einverstanden, aber mit der Übergabe in Sandefjord war mein Verhältnis zu diesem Schiff abgeschlossen.

Das Schiff fuhr einige Jahre unter norwegischer Flagge, bis es wiederum an Spanien verkauft wurde und nun immer noch zwischen Palma de Mallorca und der Insel Menorca in Fahrt ist.

 

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