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Band 51
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: Salzwasserfahrten 3
Erlebnisbericht einer Seefahrt
Band 51:
: Westküste Süd mit der WIEN
und weitere Erlebnisse
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Band 51 in der maritimen gelben Buchreihe „Zeitzeugen des Alltags“
- Band 51 - MS WIEN - MS NORMANNIA - Salzwasserfahrten -
Seefahrtserinnerungen - Seefahrtserinnerungen - Maritimbuch
von
Jürgen Coprian
Salzwasserfahrten - 3 -
Westküste Süd mit MS "WIEN" - MS WIEN -
&
Weltreise mit MS "NORMANNIA" - MS NORMANNIA -
Capt. Balzer war an Bord
Inhalt:
Vorbemerkungen des Autors zur Seefahrt damals
Schiffsdaten WIEN
Ausreise auf der WIEN nach Westküste Süd
1962/63 von Hamburg über den Atlantik – Bunkern in Willemstad –
durch den Panama-Kanal in den Pazifik – Häfen an Westküste Süd:
Buenaventura – Manta – Guayaquil – Paita – Pimentel – Chimbote –
Chancay – Callao – Pisco – Matarani – Ilo – Arica – Iquique – Antofagasta –
Huasco – Valparaiso – San Antonio
WIEN Heimreise von Westküste Süd nach Hamburg
Jürgen Coprians Lebensweg vor der Seefahrt
Jürgen Coprians Schiffe und Fahrzeiten
Schiffsdaten NORMANNIA
MS NORMANNIA - Das grüne Monster
Balzer war an Bord der NORMANNIA
Von Emden über den Atlantik – durch den Panama-Kanal
nach Alameda / Oakland – weiter nach Alaska – weiter nach Japan –
weiter über Kapstadt nach Nigeria – achtundsechzig Tage auf Wartereede
vor Lagos – endlich löschen in Port Harcourt – endlich heimwärts nach Emden
Noch eine Reise mit der NORMANNIA über den Atlantik
insgesamt 260 Seiten
Leseprobe:
Die Kellerkinder ziehen Kolben. Sind mächtig am Wühlen. Die letzte Chance vor der Küste drüben. Wie gesagt, die meisten Häfen sind Schwellhäfen und die Liegezeiten besonders kurz. Und wenn die Maschinesen beim Kolbenziehen sind, dann lassen sie es gern alle andern spüren an Bord. Dann haben alle – auch die Ings bis hoch zum Zweiten – einen besonders stark mit schwarzem Öl verdreckten Overall an und sind übermäßig verschwitzt und machen auf gereizt. Auch, wenn sie in den Pausen schnaufend an der Kombüse stehen und sich die kalten Biere reinzischen. Und diesmal ist’s nicht nur ein Kolben, sondern auch die Buchse noch dazu. Und dann noch dazu die Bunkerei. Ein Höhepunkt der Reise. ‚Vor nix hamse so'n Bammel wie vor ei’m Overflow.’ Also heute geht man den Jungs besser aus dem Weg.
Der Rosanka erzählt mir später mal, dass da immer ganz bewusst ’ne Menge Show drum gemacht wird. Womit also wieder mal die umfassende Wichtigkeit dieser Gesamtinstitution Maschine deutlich zum Ausdruck gebracht ist. Man muss wissen, dass die aus dem Fettkeller allesamt seit mindestens hundert Jahren tief darunter leiden, dass sie sich diesen Job ausgesucht haben. Unbestritten – hart ist es ja, so ständig in Hitze, Lärm, Ölgestank, dazu der ewig schwarze Dreck und sonstige Schmierkram. Was aber das Ego der Maschinesen am meisten schmerzt, das ist dieses nachgeordnet sein. Auch nicht der allmächtigste Chief hat das letzte Sagen an Bord, nein auch der hat stets den Kapitän als ‚Master next God’ noch über sich und muss sich dem unterordnen. Und das fuchst die allesamt, und deshalb haben sie alle diesen Komplex von wegen Benachteiligung und so...
...Blut und Eiter spritzt aus der Wunde auf frisch gelabsalbter Rübe. Der Verletzte stößt einen furchtbaren Schrei aus, gefolgt von einer gebrüllten Schimpfkanonade. Jungmann Trautmann springt kurz hinter seinem Draht her, erwischt ihn auch und hält ihn fest. Der Chief startet über die glitschig verölte Luke wütend einen Schweinsgalopp Richtung Trautmann, der tritt die Flucht an, lässt dabei erneut den Hanger los und – was soll man sagen – der findet treffsicher sein Ziel ein zweites Mal – mit Vehemenz. Der rote Riese gibt nur noch ein Röcheln von sich, sein verzerrtes Gesicht verfärbt sich ins Violette, und dann tritt er schwankend mit schmerzverzerrtem Gesicht den Rückzug an.
Die Meute johlt. Auch der Chiefmate Johannsen oben in der Nock krümmt sich vor Vergnügen, prustet in den vorgehaltenen Arm rein. Sein Verhältnis zum Chief ist bekannt – absolut schlecht. Natürlich beschwert sich der arg Gebeutelte postwendend beim Alten – nachdem er sich erstmal vom Dritten hat verarzten lassen. Aber - wie immer in solchen Fällen - bleibt die Beschwerde ohne Erfolg. Schließlich hat er da nichts zu suchen gehabt.
Leseprobe:
An Deck der WIEN fahren hier zwölf Mann plus Scheich und Blau...
Der Bootsmann heißt Schorsch, und der ist ein Tier! Hapag-weit bekannt, oder besser berüchtigt unter dem Namen Chicken-Schorsch. Das Tier beeindruckt durch seinen fassartig monströsen Körper. Breiter fleischiger Schädel – wirkt ähnlich wie bei Franz-Josef Strauß, so zwischen die Schultern eingesetzt. Der breite Schnauzer verdeckt eine Hasenscharte...
Die Ohrläppchen scheinen verwachsen mit dem Schlüsselbein. Die Höhe der Stirn über zwei stechenden schwarzen Knopfaugen ist mal gerade zwei Daumen breit. Die Arme, muskelbepackt, hängen pendelnd weit nach unten. Unter dem breiten Brustkorb eine gewaltige Wampe. Getragen wird das Monstrum von zwei kurzen, aber sehr stämmigen Beinen. Also – bei dem trifft dieser Spruch haargenau ins Schwarze: ‚Sieht aus wie Frankensteins Gesellenstück’.
Schon rein vom Anblick her ist man gut beraten, sich mit diesem Scheich möglichst nicht anzulegen. Nur so zur Demonstration seiner gewaltigen Körperkraft lässt er sich gelegentlich die große Zwischendeckpersenning von Luke zwei, womit sich sonst vier Mann abmühen, von drei kräftigen Matrosen auf den Buckel wuchten und marschiert dann damit stampfend und schwankend nach vorne ins Kabelgatt. Das genügt erst mal, sich für die kommende Reise den nötigen Respekt zu verschaffen...
Der Scheich haut einen Schlag Decksbiturol über die grellrote Mennige auf dem abgefahrenen Deck. Deckrollen gehört zu einem der wenigen ‚aktiven’ Jobs, zu dem sich manche Bootsleute herablassen, und auch unser Chicken-Schorsch lässt sich das nicht nehmen. Es erfordert kein Denken, strengt nicht an und ist bequem in aufrechter Haltung zu erledigen. Auch hebt die große frisch gemalte Fläche am Schluss das Selbstwertgefühl. Ähhh, ja – weil wir gerade dabei sind – wie war das noch mit der Bootsmannsprüfung? Ganz einfach: Drei Stunden über die Verschanzung gucken, ohne auch nur einmal dabei zu denken…
Schorsch ist vergnügt bei seiner Rollerei auf dem Achterschiff, die offene Holstenbuddel in Reichweite auf dem Handlauf des inneren Betriebsganges abgestellt. Ist schön schattig da und kann nicht runterfallen. Ich komme aus der Zimmerhock im achteren Windentempel und bin auf dem Weg nach vorne. Schorsch grinst mich tückisch an, macht einen kleinen Schlenker mit der Rolle und fährt mir mit dem schwarzen Teer so mal eben voll über den blanken Fuß im Nora-Schuh. „Ääähhh – Sch… Nein! Kein Versehen. Stützt sich auf die Rolle und grinst mich einfach an. „Naa“, sagt er so ganz gedehnt und sonst nichts. Verdammt noch mal, was machst du? denke ich. Gegen dieses Nashorn kommst du im Leben nicht an… Knirsche also mit den Zähnen und schlucke die aufkommende Wut runter. Warte im Gang so kleine zwei Minuten – außerhalb seines Sichtbereiches. Er genießt den Fahrtwind auf dem dicht behaarten Gorilla-Rücken; rollt weiter mit Blick nach achtern. Was tun? Die Bierbuddel! Das isses! Dem sollte man da mal reinpi… Ach Quatsch, wer bin ich denn? Ich schleiche mich in die Pantry, greife mir die Buddel mit dem Spülmittel, ein Schuss von dem Zeug rein ins Bier, und schon ist das Holsten ordentlich veredelt. Und leise zurück gestellt. So mein Freund! – Nu aber nix wie weg. Ich suche mir vorne ein Stück Rappeltuch und mit Verdünnung befreie ich jetzt den Nora-Schuh und meinen Fuß von dem Teerzeugs. Die Haut hat schon zu brennen begonnen, was durch die Verdünnung noch verstärkt wird. Saukerl! Gehe in unseren Waschraum, lasse dabei die Tür offen. Schrubbe mir mit Wurzelbürste und Waschpulver den letzten Rest Biturol vom Fuß. Da! Nicht zu überhören: Ein Brüller, ein Ekelschrei, gefolgt von wildem Gegrunze. Rotzt sich jetzt aus, der Sack, da über die Verschanzung. So, das haste nu davon! Beweisen kann er mir nichts. Kann der mir jetzt was wollen? Nee, also zumindest nicht offen. Wenn er jetzt einen Aufstand macht gegen mich, dann kommt ja auch raus, wieso und warum. Dann hat er auch den Spott der Crew am Hals. Aber, ich muss mächtig aufpassen, dass er mich nicht alleine irgendwo abfasst!...
...Leider – wenn auch begreiflicherweise – gibt es zunächst keinen unmittelbaren Zeugen für diese einmalige Begegnung zweier so unterschiedlicher Spezies von Rindviechern. Aber mit Sicherheit sehen beide, nachdem sie sich wütend ins Auge geblickt haben, nur eine Befreiung aus dieser Situation, nämlich den Gegenpart nach vorne weg und damit zurück zu drängen. Ein Zurück gibt es für den Ochsen nicht – kann es nicht geben – weil abgesehen von der Tatsache, dass Ochsen von Natur her keinen Rückwärtsgang kennen, auch der Gang hinter ihm zweimal im rechten Winkel umknickt und es schon schwer genug gewesen ist, ihn voraus da hineinzubugsieren. Ein in freier Wildbahn aufgewachsener Pampasochse ist auf solch komplizierte Bewegungsabläufe nun mal nicht eingerichtet. Chicken-Schorsch wiederum kann nicht nachgeben, weil seine Kammer nur gerade Platz für Koje, Tisch, Bank, Spind und Waschbecken bietet und auch für ihn selber schon recht eng bemessen ist. Der in der Mitte des Raumes am Fußboden angeschweißte Tischfuß macht ein Wendemanöver des Ochsen momentan unmöglich. Was tun? Einzige spontane Möglichkeit scheint wohl die, den (vierbeinigen) Ochsen in der Kammer notzuschlachten und in Einzelteilen in den Proviantraum zu verbringen.
Aber Lügen-Schorsch hat doch noch einen treuen Freund auf diesem Schiff, und das ist Harro, der Zimmermann. Der wohnt gleich nebenan, und so ruft der Schorsch in seiner Not dann laut nach Harro und um Hilfe. Harro kommt raus aus seiner Kammer und versucht nach ermunterndem Zureden von Schorsch sich an dem Ochsen vorbei zu quetschen und an der Hinterfront zu helfen. Zieht den Ochsen am Schwanz. Bringt nichts. Schwanzziehen erzeugt bei Ochsen eher noch Widerstand; nach vorn!
„Ja, stell dich doch nicht so blöd an“, brüllt Schorsch (in seinem einmaligen Idiom aus heimatlichem Bodensee-Dialekt und Haseldorfer Platt, wohin in der Marsch nahe Hamburg es ihn einst hin verschlagen hatte). „Du musst den Schwanz nehmen und ihn umbiegen! Ja, so! Und noch fester, ja! Und wenn’s knackt, dann macht das Viech alles was du nur willst! Auch Mambotanzen! Also los Mann, von Ochsen hast du keine Ahnung!“ Wie sollte Harro auch, schließlich ist er gelernter Zimmermann und Bootsbauer und schon gar nicht Landwirt oder Schlachter...
...Auf jeden Fall, die Matrosen und Heizer hinter ihren Türschlitzen lauernd und die durch den Lärm hinzu gekommenen von der Abteilung Fress kriegen Zwerchfellkrämpfe und haben alle echte Probleme damit, sich nicht deutlich erkennen zu geben. Chicken-Schorschs Rache würde spontan und nachhaltig ausfallen. Nachdem die Story am frühen Morgen die Runde durch den Dampfer macht, bleibt sie der gesamten Crew als totsicherer Lacherfolg bei jeder Bordparty für den Rest der Reise bis nach Hamburg erhalten...
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